Trotz allem! Lesben und Schwule in der Kirche

von Franz Kaern

VilligstVilligst â€“ wie sicher einige andere Menschen auch hatte ich bis vor einigen Jahren noch nie etwas von diesem Stadtteil der Ruhrstadt Schwerte gehört, ebenso wenig von dem dort ansĂ€ssigen evangelischen Studienwerk, welches Stipendien an Studenten und Studentinnen sowie Promovenden aller möglichen Studienrichtungen vergibt.

Ich bekam seit dem Beginn meiner HuK-Zugehörigkeit mit, dass eines unserer engagierten Mitglieder Stipendiat des Studienwerkes ist. Dennoch hatte ich noch lange keine rechte Vorstellung davon, was Villigst wirklich bedeutet, bis ich letztes Jahr mit der Aufgabe betraut wurde, ein HuK-Seminar bei der diesjĂ€hrigen SommeruniversitĂ€t zu entwickeln und durchzufĂŒhren, welche Villigst jedes Jahr fĂŒr seine Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie die interessierte Öffentlichkeit anbietet.

In diesem Jahr stand die SommeruniversitĂ€t, die sich ĂŒber mehrere Wochen erstreckt, unter dem Motto „trotz allem!”. Da lag es nahe, unter diesem Titel auch ein Seminar zum Thema HomosexualitĂ€t und Kirche ins Programm mit aufzunehmen: Trotz aller Intoleranz und Ignoranz von Seiten der römisch-katholischen Kirche oder mancher konservativeren evangelischen Landeskirche bis hin zu den offen ablehnenden evangelikalen Strömungen – aber auch trotz des UnverstĂ€ndnisses, das homosexuellen Christinnen und Christen oft aus den eigenen Reihen entgegen schlĂ€gt – „trotz allem!" also SexualitĂ€t und Glauben gelingend ins Leben integrieren zu wollen, das ist schon eine besondere Lebensaufgabe, die immer noch viele Verletzungen und Selbstzweifel â€“ aber auch Heilserfahrungen und Lebenssinn fĂŒr diejenigen bereit hĂ€lt, die sich darauf einlassen.

Umso dankbarer bin ich nun dem Studienwerk Villigst dafĂŒr, an die HuK herangetreten zu sein und um ein solches Seminar gebeten zu haben, was ja auch fĂŒr den dort herrschenden offenen Geist und das wache gesellschaftliche Bewusstsein spricht.

Und tatsĂ€chlich lebt Villigst von den engagierten, diskussionsfreudigen, zur aktiven Mitarbeit und Selbstorganisation bereiten Stipendiatinnen und Stipendiaten, welche diese SommeruniversitĂ€t zu einer Agora des Austausches, der Meinungsbildung und Diskussion, zu einer Quelle der MĂŒndigkeit, des sozialen Bewusstseins machen, von dem nebenbei erwĂ€hnt auch schon Persönlichkeiten wie Roger Willemsen oder Margot KĂ€ĂŸmann profitierten und wo sie sich auch profilierten.

Unser Seminar fand nun zusammen mit drei weiteren Seminaren in der letzten Woche der SommeruniversitĂ€t vom 25. bis zum 29. August auf dem großzĂŒgigen und eine demokratische WĂŒrde ausstrahlenden Campus des Hauses Villigst statt.

Zur weiteren Planung und DurchfĂŒhrung des Seminars fand ich zwei wunderbare Mitstreiter in Frank Wiehler, Pfarrer der evangelischen Landeskirche in der Pfalz, mit dem ich seit einigen Jahren befreundet bin, sowie in Dr. Christa Spilling-Nöker, Pfarrerin der badischen Landeskirche im Schuldienst, Autorin zahlreicher BĂŒcher und Verfasserin der Dissertation Wir lassen Dich nicht, Du segnest uns denn, worin sie die Haltungen der badischen und der nordelbischen evangelischen Landeskirchen zum Thema HomosexualitĂ€t miteinander vergleicht. Durch deren theologisches Fachwissen und ihre pĂ€dagogische Erfahrung im Bereich Religion verdankten ich und das Seminar den beiden einige entscheidende inhaltliche und methodische Impulse, durch welche die gemeinsamen Sitzungen lebendig, abwechslungsreich und fachlich fundiert gelangen.

 

Das GerĂŒst des Seminars umfasste folgende Sektionen:

  • Einblicke in die konkrete Lebenswirklichkeit homosexueller Christinnen und Christen. Als Einstieg hierzu diente meine fĂŒr diesen Zweck gedrehte Filmdokumentation „Homosexuell und Christ – das geht?!”, in welcher sechs HuK-Mitglieder, gegliedert in verschiedene Themenbereiche, AuskĂŒnfte ĂŒber ihren persönlichen Spagat zwischen SexualitĂ€t und Glauben erteilen.
  • Beispielhafte Positionen der EKD, verschiedener evangelischer Landeskirchen und der römisch-katholischen Kirche zum Thema HomosexualitĂ€t (darin auch Dokumentation der „FĂ€lle” Klaus Brinker und Herbert Engel).
  • Auseinandersetzung mit dem, was die Bibel â€žĂŒber uns sagt” (exegetische Traditionen der bewussten Stellen „gegen HomosexualitĂ€t”, aber auch Blick auf Texte, welche homosexuelle Christinnen und Christen sich positiv aneignen können; u. a. auch Vergleich dreier verschiedener Exegesen zu der Frage, ob die David-Jonathan-ErzĂ€hlung nun homosexuelle Erfahrungen und GefĂŒhle beschreibt oder nicht).
  • Überblick ĂŒber die (Kultur-)Geschichte der HomosexualitĂ€t, wobei ein besonderes Gewicht noch auf dem Thema der Homosexuellenverfolgung im Dritten Reich lag.
  • Analyse eines Queergottesdienstes, verbunden mit der Frage nach der Gestalt, den Schwerpunkten und der Bewertung einer „homosexuellen” SpiritualitĂ€t und Theologie.
  • Auseinandersetzung mit dem Themenkomplex „Evangelikale Bewegungen, Konversionstherapien, pseudowissenschaftliche Argumentationsstrategien”.

 

ZunĂ€chst einmal waren wir drei Dozierenden auf die Teilnehmenden gespannt. Mit welchen Voraussetzungen und Erwartungen wĂŒrden sie dieses Seminar gewĂ€hlt haben? WĂŒrden auch eher homosexuellenfeindliche Positionen vertreten (was auch trotz einer generell liberalen Haltung des Studienwerkes bei Einzelnen der Fall sein kann)? Nun, einen solchen Widerhaken hatten wir in der Gruppe nicht; prinzipiell waren sich alle darin einig, dass HomosexualitĂ€t an sich keine zu heilende Krankheit, keine zu bereuende SĂŒnde darstelle und dass Homosexuelle selbstverstĂ€ndlich ein geachteter Teil der Gesellschaft und der Kirche sein mĂŒssten. So baute sich im Laufe der Tage eine vertrauensvolle AtmosphĂ€re auf, die einen von WĂ€rme, Respekt und Offenheit geprĂ€gten Diskurs ermöglichte, was aber nicht heißt, dass alle automatisch immer einer Meinung gewesen wĂ€ren. Abgesehen von jenem Grundkonsens birgt das Thema eben doch Aspekte und wirft Fragen auf, die nicht einfach zu beantworten sind und die, je nach individuellem Hintergrund, unterschiedlich beurteilt und empfunden werden können.

Das Seminar war deshalb nicht einfach nur auf trockenes Fachsimpeln ausgelegt, sondern es erforderte immer wieder die persönliche Stellungnahme und das Preisgeben von Dingen, die jeden einzelnen, Teilnehmende wie Dozierende, im innersten bewegen. Dass dies möglich war in einer Gruppe, in der sich die wenigsten vorher gekannt hatten, das berĂŒhrte immer wieder sehr und machte die Seminararbeit zu einer besonders wertvollen Erfahrung.

Auch die GruppengrĂ¶ĂŸe von acht Teilnehmenden ermöglichte ein intensives und sehr persönliches GesprĂ€ch. Es stellte sich heraus, dass keinesfalls die gesamte Gruppe homosexuell war, sondern dass ganz unterschiedliche biographische Motivationen dazu gefĂŒhrt hatten, das Seminar zu belegen:

Vier (drei Frauen und ein Mann) studieren Theologie und interessieren sich dafĂŒr, wie sie beruflich mit dem Thema umgehen können (haben aber auch teilweise einen persönlichen Bezug, etwa durch enge Freundschaften mit Homosexuellen). Doris, eine der Theologiestudentinnen, kommt selbst aus einem evangelikalen Umfeld. Sie gab an, sie habe zusehends an dem Bild, das Evangelikale oft von Homosexuellen zeichnen, gezweifelt. Im Schlussplenum des Seminars verlieh sie ihrer Entschlossenheit Ausdruck, sich in ihrem Hauskreis und evangelikalen Umfeld fĂŒr einen unverzerrten Blick auf die Lebenswirklichkeit von Schwulen, Lesben, Bisexuellen und Transsexuellen einsetzen zu wollen.

Christian I., ein bulgarischer Zahnmedizinstudent, gab zunĂ€chst zu, dass er dieses „Außenseiterthema” zunĂ€chst aus der eigenen Erfahrung als auslĂ€ndischer Student in Deutschland gewĂ€hlt hatte. Ihm war von Anfang seines Auslandsstudiums an seine Rolle als Mitglied einer Minderheit bewusst, welche sich an der Mehrheit orientieren und sich dieser zu einem gewissen Grad auch anpassen muss. Am Ende des Seminars sagte er, dass das spezielle Thema HomosexualitĂ€t nun auch zu einem wirklichen Herzensthema fĂŒr ihn geworden war.

Christian H. ließ trotz seines immer wieder aufblitzenden Showmastertalents (das er beim Programm des bunten Abschlussabends voll ausspielen konnte) im Lauf des Seminars auf berĂŒhrende Weise erkennen, mit welchen Verletzungen seine eigene Auseinandersetzung mit Veranlagung und ReligiositĂ€t verbunden war und ist.

Showmaster ChristianJuliane, die schon ĂŒber sehr viel Wissen ĂŒber angebliche Therapiemöglichkeiten von HomosexualitĂ€t und die Argumentationen evangelikaler Gruppierungen verfĂŒgt, brachte ein starkes Bewusstsein fĂŒr eine gerechte, nicht-inklusive Sprache in die Diskussionen ein. Sie hatte sich am meisten Gedanken ĂŒber Geschlechterrollen und die Vereinnahmung einer Vielfalt unterschiedlichster LebensentwĂŒrfe durch eine heteronormative Welt gemacht.

Jede und jeder der Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatte einen eigenen Zugang zur HomosexualitĂ€t und so floss in das Seminar eine Vielzahl von Perspektiven auf das Thema ein, was den Verlauf der Diskussionen und die Ergebnisse der Gruppenarbeiten (z. B. im Rahmen einer kreativen Schreibwerkstatt) immer wieder ĂŒberraschend werden ließ.

Wo ich gerade die Schreibwerkstatt erwĂ€hne: Im Anschluss an die Auslegung der Bibelstellen zu HomosexualitĂ€t entwarfen alle Teilnehmenden eine kreative Umsetzung von Bibelstellen, die auch Homosexuellen Ermutigung geben können (z. B. Weisheit 11,24–26). Nachmittags wurden die entstandenen Texte prĂ€sentiert:

Doris schreibt einen Text Ă  la „Fragen Sie Dr. Sommer”, in welchem die Rat Suchende ermuntert wird, im Bibelhauskreis ein fröhliches Coming-out ihres schwulen Freundes durch die Diskussion positiver Bibelstellen sanft zu forcieren. Viel GlĂŒck!

Susanne, Theologiestudentin aus Berlin, entwirft eine Seite einer Schulfibel fĂŒr die Grundschule. Gelernt werden soll das Wort „Ladendiebstahl” anhand einer kleinen Geschichte mit den beiden Protagonistinnen Mimi und Lilli, die beide Gott lieben und sich gegenseitig auch. Lilli begeht einen Ladendiebstahl, und Mimi und Lilli lieben sich weiterhin (trotzdem), auch Gott liebt die beiden weiterhin (trotzdem), und beide sind eins, sind eins in Jesus. Eine entwaffnende Idee! Nur: Ob ein Kind daran tatsĂ€chlich das Wort „Ladendiebstahl” lernt? Wohl aber etwas anderes sehr Wertvolles!

Brigitte, ebenfalls Theologiestudentin, verfasst einen Brief an ihre lesbische Freundin, und statt ihn der Runde vorzulesen, gesteht sie beim Abendessen, hat sie ihn einfach der Freundin geschickt. Umso besser!

Beim Gedicht von Christian H., in welchem er von seinen inneren KÀmpfen und dem noch gar nicht so lange und sicher errungenen Frieden mit sich selbst und Gott erzÀhlt, kÀmpfe nicht nur ich mit den TrÀnen. Ein bewegender Moment, wenn Menschen sich trauen, etwas sehr Persönliches mit anderen zu teilen!

Ebenso bewegend ist der Film „Paragraph 175”, in welchem die letzten ĂŒberlebenden homosexuellen Naziopfer zu ihrer Geschichte befragt werden. Es ist schwer, fast unmöglich, danach Worte zu finden, die wieder in ein GesprĂ€ch ĂŒberleiten können. Muss man danach sprechen? Besteht das BedĂŒrfnis, sich dazu zu Ă€ußern? Ja, es besteht, aber es ist nicht leicht zu kanalisieren. Aber dies stellt letztlich doch kein Problem dar, da schon genĂŒgend Vertrautheit in der Gruppe entstanden ist, welche die ĂŒberbordenden Emotionen auffĂ€ngt.

Ganz anders die lebhaften Diskussionen, die sich zu anderen Themen entspinnen:

Frank WiehlerFrank Wiehler richtet in einem kleinen Rollenspiel als Vorsitzender einer Landessynode, die bislang noch keine Stellungnahme zum Thema HomosexualitĂ€t abgegeben hat, das Wort an seine fiktiven Mitsynodalen (die Seminarteilnehmenden) mit der Bitte, ihre begrĂŒndete Meinung zu diesem Thema vorzutragen, um daraus die offizielle Haltung dieser Synode dazu erarbeiten zu können. ZunĂ€chst einmal „spielen” die Seminaristinnen und Seminaristen durchaus unterschiedliche Rollen mit auch kontrĂ€ren Ansichten, Bedenken, FĂŒrsprachen, ebenso wie man das Ringen um eine fundierte Position in der offiziellen Handreichung der EKD „Mit Spannungen leben” deutlich spĂŒren kann. Immer wieder tauchen die Begriffe der „verantwortlich gelebten Partnerschaft” und der „moralisch einwandfreien LebensfĂŒhrung” auf (die ja auch in den verschiedenen Papieren der Landeskirchen zu finden sind), wobei sich allmĂ€hlich die Frage aufdrĂ€ngt, was darunter eigentlich zu verstehen sei. ZunĂ€chst scheint die Antwort darauf einfach: Monogame Beziehung nach dem Vorbild der heterosexuellen Ehe, wie dies oft gefordert wird. Schließlich mĂŒsse die Kirche ja fĂŒr gewisse Werte einstehen, wie beispielsweise Sven in der Rolle eines konservativeren Synodalen sagt. Dann werden aber auch konkrete Lebenssituationen genannt, die diesem Bild nicht entsprechen, und bei denen es sich, sieht man genauer hin, gar nicht so einfach sagen lĂ€sst, ob diese Formen (etwa von nicht ausschließlich monogamen Beziehungen unter bestimmten Voraussetzungen) tatsĂ€chlich zwingend weniger verantwortungsvoll sein mĂŒssen. Die Kriterien dafĂŒr, welches Verhalten denn nun einen verantwortlichen Umgang von Menschen miteinander aufweise und welches nicht, sind immer schwerer zu bestimmen, je mehr man ĂŒber konkrete Situationen nachdenkt. Da liegt dann der Verdacht nahe, dass die Kirchen besser daran tĂ€ten, Verantwortung weiter gefasst zu formulieren und nicht durch nur eine sehr eingeengte Definition, die anderen Lebensformen nicht nur ausschließt, sondern eventuell auch unberechtigt stigmatisiert.

Interessanterweise steigen die Seminarteilnehmer bei fortschreitender Diskussionsdauer und differenzierterer AbwĂ€gung zusehends aus ihren anfĂ€nglichen Rollen als Synodale aus und sprechen wieder mehr als sie selbst, kommen ins Überlegen, was denn tatsĂ€chlich ihre eigene Haltung zu den aufgeworfenen Fragen ist. Einige geben auch beim Schlussplenum, gefragt, was sie aus dem Seminar zum Weiterdenken mitnehmen wollen, an, dass diese Diskussion in ihnen weiterarbeiten wird.

Interessant ist auch die Sektion, in der wir ĂŒber mögliche Formen homosexueller SpiritualitĂ€t nachdenken, darĂŒber, welches Gottesbild, welche theologische Perspektive, welche spezielle Gottesdienstausrichtung beispielsweise einem Queergottesdienst zugrunde liegen können. Wir machen uns mit fĂŒnf AnsĂ€tzen vertraut, die freilich auch fĂŒr jeden anderen Gottesdienst gelten können, und versuchen sie mit dem NĂŒrnberger CSD-Gottesdienst 2008 abzugleichen, welchen ich gefilmt und zum Seminar mitgebracht hatte.

Die fĂŒnf AnsĂ€tze lassen sich kurz wie folgt darstellen:

  1. Schöpfungstheologisch/doxologisch: Der Gottesdienst feiert die Vielfalt der Schöpfung und preist den Schöpfer auch fĂŒr das eigene Leben als homo-, hetero-, bi- und transsexueller Mensch.
  2. Christologisch: Jesus hat sich den Außenseitern und Randgruppen zugewendet, dies versucht auch der Gottesdienst, thematisiert Außenseitererfahrungen.
  3. Integrativ: Christen sollten alle miteinander feiern, vor Gott sind alle gleich. Spezielle Gottesdienste fĂŒr Homosexuelle sind nicht nötig.
  4. Queer: Gott ist die Herausforderung zu neuen Wegen und Ufern, dazu, das Andere zu wagen. Queergottesdienste sind dezidiert anders, wollen ĂŒberraschen, herausfordern.
  5. Befreiungstheologisch: Glaube grĂŒndet auf der Befreiungstat Gottes im Exodus und in Jesus Christus gegenĂŒber menschlicher Macht und SĂŒnde, er soll Mauern einreißen, Grenzen aufmachen, Fesseln sprengen. Der Gottesdienst soll die Gottesdienstbesucher und -innen frei machen, ihnen Kraft und Raum zum Atmen geben.

 

Der NĂŒrnberger Gottesdienst wies u. a. besonders Elemente des befreiungstheologischen Ansatzes auf, wird aber in seiner gesamten Anlage und Liturgie als nicht auffallend andersartig oder spezifisch homosexuell beurteilt. Ein Teilnehmer fragte, weshalb denn spezielle homosexuelle Gottesdienste ĂŒberhaupt nötig seien, weshalb man als Schwuler oder Lesbe denn ĂŒberhaupt das BedĂŒrfnis haben mĂŒsse, sich gerade als solche in einem Gottesdienst zu erkennen zu geben. Ihn frage doch auch niemand nach seiner HeterosexualitĂ€t und wenn Leute in einer Gemeinde Probleme mit HomosexualitĂ€t hĂ€tten, dann wĂ€re dies doch deren Problem, man mĂŒsse sich dies doch nicht zueigen machen. NatĂŒrlich ist die Frage berechtigt, wozu es ĂŒberhaupt spezielle Angebote fĂŒr homosexuelle Christinnen und Christen geben mĂŒsse (siehe den integrativen Ansatz). NatĂŒrlich kann man einwenden, dass Homosexuelle sich dadurch selbst ausgrenzen. Und natĂŒrlich scheint die Vorstellung nicht attraktiv, dass in einer regelmĂ€ĂŸig Gottesdienste ausrichtenden Queergemeinde HomosexualitĂ€t stĂ€ndig thematisiert werden wĂŒrde.

Dennoch setzt sich Christian H. eindrĂŒcklich dafĂŒr ein, dass es nicht darum gehe, sich als Homosexueller stĂ€ndig in seiner Andersartigkeit zu thematisieren, sondern schlichtweg darum, sich als gesamten Menschen angenommen zu fĂŒhlen, ohne sich besonders erklĂ€ren zu mĂŒssen, ohne einfach von vornherein als heterosexuell angesehen zu werden. Wohl niemand will jeden Sonntag eine Predigt hören, die zwanghaft alles mit HomosexualitĂ€t in Verbindung bringt. Aber es gibt so viele Momente im Gottesdienst, etwa in (FĂŒrbitten-)Gebeten, bei denen sich homosexuelle Menschen mit ihren Lebenserfahrungen nicht angesprochen fĂŒhlen, weil eben der Pfarrer und die ganze Gemeinde nur die normative heterosexuelle Familie im Blick haben. Daher, so Christian H., seien Gottesdienstangebote speziell fĂŒr Homosexuelle eben doch immer wieder nötig und wohltuend. Es stellt sich heraus, dass es gar nicht selbstverstĂ€ndlich leicht ist, einem heterosexuellen Mann, und sei er noch so aufgeschlossen und wohlgesinnt, dieses verstĂ€ndlich zu machen.

Seminarpause

Auch wenn das Seminar von der HuK ausgerichtet wurde, so sollte es natĂŒrlich kein bloßes Werbeseminar fĂŒr die HuK werden (und war es letztlich auch nicht). Dennoch ist es klar, dass die HuK, ihre Arbeit, ihre Erfolge und Versuche immer wieder ErwĂ€hnung fanden. Dadurch kam im Laufe des Seminars auch von einzelnen Teilnehmern die Frage auf, ob es denn Bedingung sei, homosexuell zu sein, wenn man in der HuK Mitglied werden möchte. Ich berichtete von der Fördermitgliedschaft, aber auch davon, dass es abgesehen von dieser tatsĂ€chlich einige heterosexuelle Mitglieder gebe, die die Arbeit der HuK solidarisch unterstĂŒtzten und daher jede und jeder willkommen sei, der oder dem das Thema am Herzen liegt.

Es gĂ€be noch einige spannende Themen und Diskussionen des Seminars zu erwĂ€hnen, z. B. wie oft wir, etwa bei der BeschĂ€ftigung mit Bibelaussagen, aber auch mit anderen Religionen, ĂŒber das Konstrukt der „mĂ€nnlichen Ehre” stolperten, die schon immer ein wichtiges und nicht anzurĂŒhrendes Thema darstellte und die fĂŒr so viel Hass und Vorurteile verantwortlich zu machen ist, doch möchte ich mit dem Bericht hier enden. In jedem Fall sind sich alle Beteiligten am Ende darĂŒber einig, dass dieses Seminar eine sehr besondere und wertvolle Erfahrung fĂŒr alle darstellte und noch vielfĂ€ltig nachwirken und die Köpfe weiter beschĂ€ftigen wird.