Berlin/Hamburg/München 31.05.2022

Eine Kommission der Deutschen Bischofskonferenz hat am Montag den Entwurf für eine neue „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ und dazugehörige „Bischöfliche Erläuterungen“ veröffentlicht. Das Katholische LSBT+ Komitee und die Initiative #OutInChurch begrüßen, dass gleichgeschlechtliche Eheschließungen in Zukunft kein Kündigungsgrund mehr sein sollen. Sie bemängeln aber, dass Geschlechtsidentität nicht ausdrücklich berücksichtigt wird. Dies schafft ebenso wie die
schwammigen Formulierungen zum „christlichen Menschenbild“ und „kirchenfeindlichem Verhalten“ neue Unsicherheiten für queere Mitarbeitende.

Der Entwurf stellt positiv fest, dass alle Mitarbeitenden der Kirche unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer sexuellen Orientierung und ihrer Lebensform die unbedingte Liebe Gottes und damit die Kirche repräsentieren können. Es markiert einen entscheidenden Fortschritt gegenüber der bisherigen Grundordnung, dass „Beziehungsleben und Intimsphäre“ als „Kernbereich(e) privater Lebensführung“ einer arbeitsrechtlichen Bewertung ausdrücklich entzogen sein sollen. Die bisher geltende Rechtslage, dass das Eingehen einer gleichgeschlechtlichen Ehe eine Kündigung zur Folge hat, ist damit abgeschafft.

Vielfalt in kirchlichen Einrichtungen wird als eine Bereicherung gewürdigt. Das könnte den Grundstein legen für die Entwicklung einer lebendigen Kultur der Diversität in der Zukunft. Das Katholische LSBT+ Komitee und die Initiative #OutInChurch begrüßen, dass die Grundordnung explizit die Gleichstellung von Frauen und Männern als Aufgabe benennt. Geeignete Maßnahmen zur Gleichstellung von Frauen sind seit langem überfällig, Frauenförderung, Gleichstellungsanalysen und die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen müssen angegangen werden.

Unklarheiten zur Geschlechtsidentität müssen dringend noch ausgeräumt werden

Kritisch sehen die beiden Netzwerke, dass der Entwurf der Grundordnung des kirchlichen Dienstes und die bischöflichen Erläuterungen das Merkmal der geschlechtlichen Identität nicht benennen und einem binären Geschlechtermodell verhaftet bleiben. Hier bleibt unklar, ob mit dem Merkmal Geschlecht zukünftig auch trans- und intergeschlechtliche und nichtbinäre Arbeitnehmer*innen vor Diskriminierungen aufgrund der geschlechtlichen Identität geschützt werden. Veronika Gräwe vom Katholischen LSBT+ Komitee fordert: „Der Entwurf muss dringend nachgebessert und konkretisiert werden, damit auch für trans- und intergeschlechtliche sowie nichtbinäre Mitarbeitende der kirchliche Arbeitsplatz zu einem Arbeitsplatz ohne Angst wird.Gleichstellungsmaßnahmen müssen die Gleichstellung von Mitarbeitenden aller geschlechtlichen Identitäten im Blick haben.“

Jens Ehebrecht-Zumsande von der Initiative #OutInChurch erklärt zum neuen Entwurf: „Der Entwurf wirft einige Fragezeichen auf, weil die genannten christlichen Werte nicht präzise definiert sind. Wenn jemand sich auf einer Dating-Plattformen outet, ist das schon öffentlich und damit zu sanktionieren oder noch privat? Ist z.B. die Forderung nach Frauenordination schon kirchenschädliches Verhalten, das eine Kündigung nach sich ziehen kann? Ist eine Transition von transgeschlechtlichen Menschen mit dem geforderten christlichen Menschenbild vereinbar? Hier gibt es noch einen erheblichen Klärungsbedarf.“

Unzufrieden zeigt sich Ehebrecht-Zumsande mit den Möglichkeiten der Partizipation und der Transparenz des Verfahrens: „Bis heute wurde die Expertise von queeren katholischen Organisationen nicht in die Beratung einbezogen. Wir sehen auch jetzt keine Einladung zum Dialog. Wollen Bischöfe und Arbeitsgruppe hinter verschlossenen Türen beraten? Offen bleibt zudem, wie und wann die Prinzipien der Grundordnung auf die Verleihung der Missio canonica für Religionslehrkräfte übertragen werden.“

Veronika Gräwe macht auf eine Konsequenz der neuen Regelungen aufmerksam: „Zahlreiche Berichte von LSBTIQ* Mitarbeitenden im kirchlichen Dienst belegen die enormen psychischen Belastungen, die für sie mit einer Tätigkeit im kirchlichen Dienst verbunden sind. Wo Arbeitssicherheit und Gesundheitsschutz, wie in dem Entwurf vorgesehen, die Gesundheit in den Blick nehmen, müssen im Hinblick auf LSBTIQ* auch Minderheitenstress und internalisierte Homonegativität und Transfeindlichkeit als Risikofaktoren in Gefährdungsbeurteilungen miteinfließen.“

Das Katholische LSBT+ Komitee

ist ein kirchenpolitisches Arbeitsbündnis von Katholik*innen aus verschiedenen christlichen LSBT+ Gruppen und setzt sich für die Gleichberechtigung von LSBT+ Personen in der römisch-katholischen Kirche ein. Zu den Mitgliedsgruppen zählen Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e. V., Netzwerk katholischer Lesben e.V. (NkaL), AG Schwule Theologie e.V., Katholische Schwule Priestergruppen Deutschlands (KSPD), KjGay der KjG (Katholische junge Gemeinde), Lesbischwule Gottesdienstgemeinschaften (LSGG), Initiative Homo Cusanus. Das Katholische LSBT+ Komitee ist Mitglied in der Arbeitsgemeinschaft katholischer Organisationen Deutschlands (AGKOD).

Pressekontakt
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Veronika Gräwe, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
Dr. Michael Brinkschröder, Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein., 01577/8814399
Website: www.katholisch-lsbt.de

#OutInChurch – für eine Kirche ohne Angst
ist eine Initiative von über 300 LSBTIQ+ Menschen, die hauptberuflich oder ehrenamtlich in der röm.-
kath. Kirche tätig sind. Die Initiative ging im Januar 2022 mit einem kollektiven Coming-out und
einem Manifest an die Öffentlichkeit. In der begleitenden ARD Doku „Wie Gott uns schuf“ werden
über 100 Mitwirkende vorgestellt.

Weitere Informationen:
www.outinchurch.de
https://www.instagram.com/outinchurch/
https://fb.me/OutInChurch/


Pressekontakt und Interviewanfragen
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