Im Rahmen der Aufarbeitung der systemischen Ursachen von sexueller Gewalt an Minderjährigen und ihrer Vertuschung verlangt ein am 13.06.2020 vorgestelltes Projekt des Bistums Limburg unter anderem eine radikale Änderung im Umgang mit lesbischen Mitarbeiterinnen und schwulen Mitarbeitern. Gleichgeschlechtliche Partnerschaften dürfen kein Kündigungsgrund mehr sein. Das Bistum soll sich selbst eine Leitlinie dazu geben und sich für eine entsprechende Änderung des katholischen Arbeitsrechts aller deutschen Bistümer einsetzen.

Unter dem Titel „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ werden Folgerungen und Empfehlungen aus den zahlreichen Fällen von sexualisierter Gewalt gegenüber Kindern und Jugendlichen durch katholische Priester abgeleitet. Das Teilprojekt „Umgang mit katholischer Sexualmoral / Neubewertung Homosexualität“ kommt zu einer fundamentalen Kritik der katholischen Sexualmoral: „Die kirchliche Sexuallehre ist nur scheinbar ein Moraldiskurs, jedoch viel eher ein Machtinstrument.“ (S. 367)

In der Zusammenfassung der Ergebnisse heißt es: „Die kirchliche Sexualmoral unterdrückt die Entwicklung einer ausgereiften Sexualität, sie hemmt die Sprachfähigkeit zu diesem Thema und befördert eine Machtasymmetrie durch die Möglichkeit, von den Sakramenten auszuschließen oder Arbeitsverhältnisse zu kündigen. Gleichzeitig widersprechen die überkommenen Lehrverkündigungen den humanwissenschaftlichen Erkenntnissen und der Lebensrealität der Menschen. Deshalb ist eine Neuerung der kirchlichen Sexualmoral notwendig.“ (S. 3)

Das Urteil über die gesamtkirchliche Grundordnung für die Priesterausbildung fällt ähnlich vernichtend aus: „Die Grundordnung verhindert, das Thema Sexualität in der Ausbildung in angemessener Weise zur Sprache bringen zu können, und führt zur Vertuschung und doppelten Standards, da Seminaristen unmittelbar entlassen werden müssten, die eine homosexuelle Veranlagung thematisieren.“ (S. 371) Der Projektbericht fordert stattdessen, dass auch Priesteramtskandidaten in die Lage versetzt werden müssten, ihre sexuelle Identität zu reflektieren und angstfrei darüber zu sprechen. Dies sei nur möglich, wenn ein Coming-out ihre berufliche Zukunft nicht zerstöre. Daher müssten Personen mit homosexueller Orientierung grundsätzlich zum Priestertum zugelassen werden können.

Die Projektgruppe betont, dass die freiwillig übernommene zölibatäre Lebensform als sehr gewinnbringend gelebt werden kann. Der Zölibat als verpflichtende Voraussetzung für das Priesteramt wird hingegen als unzulässigen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung gesehen. Die Schlussfolgerung daraus lautet, die Zölibatsverpflichtung zu unterbinden, um Gewalt und Unrecht gegenüber anderen Personen zu verhindern.

Dr. Michael Brinkschröder, Leiter des Arbeitskreises Katholische Kirchenpolitik der HuK, sagt dazu: „Der Projektbericht aus Limburg ist ein kirchenpolitisches Ereignis. Seine Bedeutung kann kaum überschätzt werden. Endlich macht sich die katholische Kirche in Fragen der (Homo-) Sexualität ehrlich. Sie nimmt Anlauf, sich vom Joch der überkommenen Sexualmoral zu befreien, die als Risikofaktor für sexualisierte Gewalt erkannt wurde.“

Thomas Pöschl, Vorstandsmitglied der HuK: „Der Bericht zeigt die richtigen Konsequenzen auf. Er stellt das Wohl, die Entfaltung der Menschen in den Mittelpunkt und nicht die Absicherung der Heiligkeit der Kirche. Viele kirchliche Mitarbeiter_innen werden erleichtert aufatmen, weil sie sich dann nicht mehr verstecken müssen. Jetzt müssen die Maßnahmen zügig umgesetzt werden.

Wer ist die HuK?

Die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche (HuK) e.V. arbeitet seit 1977 daran, dass Lesben, Schwule, Bisexuelle und Trans*-Menschen als gläubige Christinnen und Christen volle Anerkennung und Gleichberechtigung in ihren jeweiligen Kirchen erhalten. Dazu gehört es, dass die Kirchen Sexualität als gute Gabe Gottes begreifen und die Vielfalt der Lebensformen der Schöpfung wertschätzen lernen. Rechtliche und faktische Diskriminierung innerhalb der Kirchen muss ebenso beendet werden wie die kirchliche Unterstützung für Diskriminierung in anderen Bereichen der Gesellschaft.

Für Rückfragen stehen zur Verfügung:

Thomas Pöschl, Vorstandsmitglied HuK e.V.,
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Dr. Michael Brinkschröder,
Arbeitskreis Katholische Kirchenpolitik HuK e.V.
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