„Farbe bekennen” – Ein Projekt fĂŒr Gemeinden, kirchliche Gruppen und VerbĂ€nde

Cover von „Farbe bekennen”pdfFarbe bekennen9.58 MB Farbe bekennen – ein schwungvolles Projekt in mehrfacher Sicht:

  • schwungvoll fĂŒr evangelische und katholische Gemeinden, kirchliche Gruppen und Organisationen, die sich mit dem Thema HomosexualitĂ€t und der Situation von Lesben und Schwulen befassen wollen;
  • schwungvoll fĂŒr GĂ€ste der HuK bei Kirchen- und Katholikentagen, die Lesben und Schwule zum „Anfassen” erleben konnten – durch Arbeitsmaterial, Lieder und nicht zuletzt durch AuffĂŒhrungen des Coming-out-StĂŒcks „Schwungelbuch”;
  • schwungvoll fĂŒr die Ökumenische Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, weil „Farbe bekennen” der HuK-Arbeit wichtige Impulse gab und
  • schwungvoll fĂŒr die HuK-Gruppen vor Ort, die die Anregungen nutzten, weiterentwickelten und die Umsetzung der Idee von Farbe bekennen als Bereicherung ihrer bisherigen Arbeit erlebten.

Am Anfang standen folgende Fragen:

  • „Wo steht die HuK heute?”
  • „Was haben wir bisher erreicht?”
  • „Wie können wir unser Anliegen noch besser in die Kirchen tragen, auf einen guten und sinnvollen Einsatz unserer KrĂ€fte achten und mit denen zusammenarbeiten, die fĂŒr unsere Anliegen offen sind?”

Zwölf Jahre nach GrĂŒndung der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche setzte in der HuK ein wichtiger Prozess des Nachdenkens ein. Es ging um die oben formulierten Fragen. Bei dieser Bestandsaufnahme, die 1989 begann, ließ sich die HuK inspirieren von der US-amerikanischen lesbisch-schwul-bi-trans-queeren Gruppe ReconcilingWorks, die schon einige Jahre zuvor das Programm Reconciling in Christ entwickelt hatte. Genau so etwas wollte die HuK in Deutschland etablieren: ein Projekt, mit dem das Thema „Homosexuelle” innerhalb der Kirche richtig große Beachtung findet – ein Schritt nach vorn.

Die ersten Gruppentreffen fanden am 18.11.1989 bei der HuK-Tagung in Hohenwart bei Pforzheim sowie vom 05. bis 07.01.1990 in Ismaning bei MĂŒnchen statt. Die Analyse, die dabei im Mittelpunkt stand, kam zu diesen ersten Ergebnissen:

  • Die HuK hat einiges erreicht.
  • An vielen Orten gibt es die Möglichkeit fĂŒr christliche Schwule und Lesben, sich zu treffen.
  • An der Haltung der Großkirchen und der Gemeinden hat sich nichts Wesentliches geĂ€ndert. Homosexuelle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mĂŒssen sich nach wie vor meist verstecken.
  • Fortschritte innerhalb der Kirchen sind nicht von Dauer. Manches wird geduldet, aber es fehlt an offiziellen Bekenntnissen der Kirchen zu Homosexuellen.
  • Unter Lesben und Schwulen wachsen Frust und Resignation. Die Zahl derer, die ihrer Kirche den RĂŒcken kehren und austreten, wĂ€chst.
  • Die HuK wollte von Anfang an fĂŒr die volle Integration von Lesben und Schwulen in die Kirchen sorgen. Wollen die ĂŒberhaupt noch integriert werden? Und hat nicht die HuK fĂŒr viele, entgegen den eigenen Zielen, die Funktion einer Ersatzkirche ĂŒbernommen?
  • Die HuK wĂŒrde sich völlig ĂŒberfordern, wenn sie sich auch kĂŒnftig bemĂŒhte, nach dem Gießkannenprinzip eine große Zahl von Gemeinden oder Kirchenvertretern und -vertreterinnen von ihren Anliegen und ihrem Wunsch nach Akzeptanz zu ĂŒberzeugen.

Diese Überlegungen motivierten ein Team aus mehr als zehn kreativen HuK-Mitgliedern, Frauen und MĂ€nnern, sich zur „AG Gemeindeprojekt” zusammenzuschließen und knapp zwei Jahre lang die Vorarbeit fĂŒr das, was als Projekt „Farbe bekennen” die Wahrnehmung des Homo-Themas in den Kirchen entscheidend geprĂ€gt hat, zu leisten. Das Projekt wurde beim Evangelischen Kirchentag 1991 im Ruhrgebiet der Öffentlichkeit vorgestellt; die AG begleitete das Projekt aktiv bis Ende 1995.

Das Projekt „Farbe bekennen” konnte in der Tat aufbauen auf ein Interesse, das bei einigen Kirchengemeinden, Gruppen und Organisationen bereits vorhanden war. Die HuK prĂ€sentierte ihnen mit dem Arbeitsheft zum Projekt eine informative und dennoch sehr authentische Sammlung von Texten. Schwerpunkte des Hefts sind die Themen SexualitĂ€t, HomosexualitĂ€t, Bibel und HomosexualitĂ€t, ein PlĂ€doyer fĂŒr unterschiedliche Lebensformen („Vielfalt ist Gewinn”), Erfahrungsberichte von Lesben, Schwulen und Eltern sowie Empfehlungen fĂŒr das GesprĂ€ch in Gemeinden und Gruppen und LiteraturvorschlĂ€ge.

In mehreren Evangelischen Landeskirchen wie im Rheinland und in Berlin-Brandenburg fiel der Start des Projekts „Farbe bekennen” mit Beratungen der jeweiligen Synode zusammen. Sehr viele Anfragen nach dem Arbeitsheft kamen aus dem Rheinland.

 

Ermutigung zum GesprÀch

Zu Beginn des Arbeitsheftes stellt sich die HuK vor und beschreibt einen möglichen Zeitplan fĂŒr die Bearbeitung des Themas:

  1. Auseinandersetzung mit den Themen SexualitĂ€t und HomosexualitĂ€t in der jeweiligen Gemeinde oder Gruppe. Es wird empfohlen, dass man sich fĂŒr Information und Erfahrungsaustausch viel Zeit nimmt und am Ende darĂŒber entscheidet, ob man sich der vorgeschlagenen SolidaritĂ€tserklĂ€rung anschließt.
  2. Die HuK bietet fĂŒr diesen Diskussionsprozess UnterstĂŒtzung und Kontakt an, sowohl mit Vertretern/-innen der HuK wie auch mit anderen Gemeinden oder Gruppen, die diesen Beratungsprozess schon gefĂŒhrt haben.
  3. Nach einiger Zeit sollte ein Netzwerk von Farbe bekennenden Gemeinden, Gruppen und VerbÀnden entstehen.

 

Vorschlag der HuK fĂŒr eine SolidaritĂ€tserklĂ€rung

„Als christliche Gemeinde sind wir ein Leib mit vielen Gliedern. Jeder Teil hat seine besonderen Charismen, die sich in unterschiedlichen Begabungen und Lebensformen verwirklichen. Durch die Taufe gehören alle ChristInnen ungeachtet ihrer sexuellen Orientierung zum Leibe Christi.

Deshalb ist es unertrĂ€glich, wenn homosexuelle Frauen und MĂ€nner in der Gesellschaft diskriminiert, von der Kirche ausgegrenzt oder totgeschwiegen werden. Als christliche Gemeinde tragen wir Mitverantwortung fĂŒr die gesellschaftlichen Bedingungen, in denen Menschen miteinander leben. Deswegen machen wir unsere Betroffenheit und Sorge fĂŒr Schwule und Lesben öffentlich. Zu diesem Zweck erklĂ€ren wir:

  1. SexualitĂ€t ist ein Teil der Schöpfung Gottes, die in unterschiedlichen AusprĂ€gungen – Hetero-, Homo- und BisexualitĂ€t – existiert.
  2. In ihrer jeweiligen AusprĂ€gung kann SexualitĂ€t in unterschiedlicher Weise gestaltet werden. Sie ist weder ausschließlich auf Fortpflanzung ausgerichtet, noch hat sie ihren legitimen Ort allein in der Ehe.
  3. Jeder Mensch, egal ob homo-, hetero- oder bisexuell, hat das Recht, seine SexualitÀt verantwortlich und einvernehmlich zu leben.
  4. Schwule und Lesben heißen wir als Mitglieder und ohne EinschrĂ€nkung auch als MitarbeiterInnen ausdrĂŒcklich willkommen; wir laden sie ein, sich aktiv am Leben unserer Gemeinde/Gruppe/Kirche zu beteiligen.
  5. Wir setzen uns dafĂŒr ein, dass dieses VerstĂ€ndnis von SexualitĂ€t auch in unserer Gesamtkirche anerkannt wird.”

 

Der Schwung

Drei Monate nach dem Start von „Farbe bekennen” war die erste Auflage (500 Exemplare) des Arbeitsheftes vergriffen. Das Heft wurde mehrfach aktualisiert; insgesamt wurden rund 5.000 Exemplare gedruckt und verkauft.

Die erste SolidaritĂ€tserklĂ€rung kam ĂŒberraschend von einer katholischen Gruppe: der Fachschaft Katholische Theologie an der Albert-Ludwigs-UniversitĂ€t Freiburg. Die Fachschaft musste spĂ€ter einen heftigen Angriff des damaligen Domkapitulars Dr. Bernhard Uhl (spĂ€ter Weihbischof in Freiburg) ĂŒber sich ergehen lassen. Uhl schrieb in einem Leserbrief im Konradsblatt, der Kirchenzeitung, er sei selbst frĂŒher Sprecher der Fachschaft gewesen. Im Übrigen sei die ErklĂ€rung rechtswidrig und die Fachschaft sei nicht legitimiert, eine solche ErklĂ€rung abzugeben.

Die Fachschaft Katholische Theologie wies die VorwĂŒrfe zurĂŒck und erklĂ€rte, dass die Rechtsaufsicht ĂŒber sie nicht bei einem Domkapitular, sondern beim Dekan der Theologischen FakultĂ€t liege. Uhl solle sich nicht in die Freiheit der UniversitĂ€t und der akademischen Selbstverwaltung einmischen. Zudem sehe sich die Fachschaft in der Nachfolge Christi in der Pflicht, sich aufgrund von gesellschaftlicher und kirchlicher Ausgrenzung mit Lesben und Schwulen solidarisch zu erklĂ€ren.

Stetig stieg die Zahl der Gemeinden und Gruppen, die eine SolidaritÀtserklÀrung im Sinn des Gemeindeprojekts abgaben (teilweise im obigen Wortlaut, teilweise mit eigenen, Àhnlichen Formulierungen). Nach zweieinhalb Jahren gab es fast 30 SolidaritÀtserklÀrungen.

Mit der PrĂ€sentation des Projekts „Farbe bekennen” gelang es der Ökumenischen Arbeitsgruppe Homosexuelle und Kirche, mehr und mehr als offizielle GesprĂ€chspartnerin anerkannt und eingeladen zu werden. Viele HuK-Gruppen vor Ort nahmen die Ermutigung auf, verstĂ€rkten bestehende Kontakte und knĂŒpften â€“ vorwiegend an der kirchlichen Basis – neue Kontakte.